In diesem Beitrag behandele ich ein sehr persönliches und sensibles Thema. Deshalb hier eine Triggerwarnung vorab: Sollte dich das Thema Kinderwunsch aktuell sehr beschäftigen oder aus anderen Gründen triggern, lass diesen Artikel gern aus. Ich berichte hier aus meiner ganz persönlichen Sicht, denn es war mir ein Anliegen, mir das mal von der Seele zu schreiben.
Eine Frage, die mich jahrelang beschäftigte war die, ob ich Kinder möchte oder wir unser gemeinsames Leben lieber zu zweit genießen wollen. Mein Mann war da recht früh sehr abgeklärt. Er sagte mir, dass er sich Kinder wünsche, auch schon bereit dazu wäre, aber es für ihn genauso okay wäre, wenn es nicht klappte – ein Pragmatismus, um den ich ihn schon immer beneidete.
Doch was wollte ich? Ich war hin und her gerissen. Zum einen fand ich Babys und Kinder schon immer toll und die Vorstellung, meine Gene in einem kleinen Menschen weiterleben zu lassen faszinierte mich. Zum anderen war ich verliebt in mein Leben: viel Zeit für mich und uns, das Reisen und die Unabhängigkeit. War ich wirklich bereit, das alles aufzugeben?
Kinderwunsch ja oder nein? Eine sehr kritische Frage
Was sich wie eine Floskel anhört, ist leider wahr: Als Frau hat man es häufig nicht leicht. Nicht nur, dass wir mit mindestens genauso guten Referenzen auf den gleichen Jobpositionen deutlich weniger verdienen als unsere männlichen Kollegen. Auch wird vorausgesetzt, dass wir ab einem gewissen Alter zur Fruchtbarkeitsgöttin mutieren und Kinder aus unserem Schoß sprießen lassen – egal, ob wir wollen oder können. Und wenn wir nicht wollen oder können, werden wir mit mitleidigen Blicken und Kommentaren gestraft.
Eine der grenzüberschreitendsten Fragen schlechthin ist wohl “Wann ist es denn bei dir endlich soweit?”. Ich weiß nicht, was ich in einem meiner früheren Leben verbrochen habe, aber auch ich wurde in den letzten Jahren nicht nur einmal Opfer dieser Übergriffigkeit. Und ich kann mich glücklich schätzen, denn weder hatte ich zu diesem Zeitpunkt eine lange Odyssee an Kinderwunschbehandlungen, noch eine Fehlgeburt oder dergleichen erlebt. Ich hatte mich auch noch nicht bewusst gegen Kinder entschieden, was hierzulande (oder in erster Linie hierzudorfe) offensichtlich mit einer Serie an Morden gleichzusetzen ist. Nein, ich hatte das Privileg, es schlichtweg einfach noch nicht zu wissen.
Und so antwortete ich – höflich und überangepasst wie ich bin – mit einem lächelnden “Ach, das dauert noch. Ich bin ja noch jung.”. Rückblickend hätte den Personen eine Abfuhr sondergleichen gehört. Mir gefallen als Konter die Sätze “Und wann hattest du das letzte Mal Sex?”, “Naja, wir probieren es schon sehr lang und müssen gerade erstmal über die letzte Fehlgeburt hinwegkommen. Danke, dass du fragst.” oder ein schlichtes “Entschuldigung, aber das geht dich wirklich absolut nichts an. Was fällt dir ein, sowas überhaupt zu fragen?”.
Können wir uns hier bitte mal darauf einigen, dass die Frage nach dem Kinderwunsch niemandem (und ich meine wirklich NIEMANDEM) zusteht. Es sei denn, das Gespräch fällt zufälligerweise darauf und man tauscht sich offen aus – das ist etwas anderes. Von (teilweise wildfremden) Personen auf der Straße angequatscht zu werden, die auch noch kackfrech davon ausgehen, dass jede Frau auf diesem Planeten ganz einfach dazu in der Lage ist, Kinder zu bekommen oder sich schon längst für Kinder entschieden hat (Hä, wie sollte es auch anders sein?), ist einfach übergriffig. Okay, das wäre dann geklärt.
Beeinflussung von außen – aber was will ich wirklich?
Unsere Generation wurde also völlig selbstverständlich vom Kindesalter an darauf getrimmt, dass Frau nur vollständig sein kann, wenn sie heiratet und Kinder zeugt. Dass das nicht der Fall ist, wurde mir erschreckenderweise erst Anfang meiner 20er bewusst – nämlich als ich anfing, mich mit Persönlichkeitsentwicklung und der großen Frage nach dem Sinn des Lebens zu beschäftigen. Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich so privilegiert war und die Wahl hatte. Was sich zunächst wie ein Befreiungsschlag anfühlte, entwickelte sich zu einer mittelschweren Sinnkrise. Ich war mittlerweile glücklich verheiratet, doch ob ich Kinder wollte, das wusste ich plötzlich einfach nicht mehr sicher.
Kinderwunsch: “Das ganze Leben verändert sich”
Was mir immer am meisten Angst gemacht hat, wenn es um das Thema Kinderwunsch ging, waren die Aussagen von Eltern, die durch die Bank weg mit dem Satz “Mit Kindern verändert sich einfach das ganze Leben.” umher warfen. Meine Reaktion darauf war meist ein dicker Kloß im Hals und das Bedürfnis, ganz schnell sehr weit weg zu laufen. Wollte ich wirklich, dass sich mein ganzes, tolles Leben, das ich so liebte, radikal veränderte? Nein, dazu war ich einfach nicht bereit.
Das Warten auf die perfekten Lebensumstände
Mein Mann und ich pendeln zwischen unserer Heimat Würzburg und unserer neuen Wahlheimat Berlin. Wir lieben dieses “Doppelleben”, was nach außen häufig stressig wirkt (und es in vielen Situationen auch ist) und haben uns daran gewöhnt, örtlich flexibel zu sein. In beiden Städten fühlen wir uns mittlerweile pudelwohl. Als wir vor nunmehr sechs Jahren damit anfingen, trösteten wir unsere Familien in der Heimat immer mit dem Satz “Ja, wenn wir Kinder wollen, kommen wir zurück.”. Und genau dieses Versprechen entpuppte sich als Fessel, aus der ich mich irgendwie nicht mehr befreien konnte. Ich bin ganz ehrlich: Hättest du mich vor einem Jahr gefragt, ob ich mir vorstellen kann, ein Kind zu bekommen – ich hätte vermutlich nein gesagt oder wäre zumindest sehr unschlüssig gewesen. Doch dann kam alles anders.
Wie 10 Tage Schweigen meine Sicht auf das Thema Kinderwunsch veränderten
Im September letzten Jahres (Wow, das ist weniger als 10 Monate her.) zog es mich in ein Vipassana-Center, in dem ich 10 Tage lang jeweils 10 Stunden auf dem Boden sitzend meditierte. Es war eine der krassesten (Sorry, aber mir fällt einfach kein passenderes Wort ein.) Erfahrungen meines bisherigen Lebens.
Die Sache mit dem Gleichmut
Wenn man die Lehre von Vipassana in einem Wort zusammenfassen möchte, dann ist es Gleichmut. Der wurde mir in diesen 10 Tagen so eingetrichtert, dass ich es endlich verstand: Die Anhaftung, also die zwanghafte Aufrechterhaltung von positiven sowie das Wegschieben von negativen Gefühlen und Situationen kann einen krank machen. Und darin war ich Meisterin.
Das Leben fließt. Es ist ein Auf und Ab. Zwanghaft an Gefühlen und Situationen festzuhalten, die sowieso wieder gehen (um dann auch zurückzukehren – aber wer weiß schon wann) ist total hirnrissig. Denn dann verpasst man das Leben. Und ich wollte mein Leben nicht verpassen. Ich wollte leben. Mein Leben, mit all den Facetten, die es mit sich brachte.
Eine Erkenntnis, von der ich nicht wusste, dass ich sie brauchte
Es gab einen Punkt während des Vipassana-Kurses – ich glaube, es war an Tag sechs – an dem ich eine von vielen Erkenntnissen hatte: Ich musste mein Leben für ein Kind nicht umkrempeln. Zumindest nicht bevor es überhaupt da war. Ein Kind darf zu uns kommen und wir dürfen uns weiterentwickeln. Das ist Leben. Mein Mann war überglücklich, als ich ihm davon erzählte, dass mir die Vorstellung, eigene Kinder zu haben, auf einmal gar nicht mehr so absurd vorkam. Ich meine, ein “Ich dachte schon es passiert nie.” aus seiner Euphorie herausgehört zu haben. Jedenfalls war er irgendwie erleichtert. Und ich auch. Denn jetzt wusste ich, dass der Wunsch nach einem Kind immer da war. Er war nur begraben unter all den Erwartungen und Dogmen, die die Gesellschaft mir im Laufe meines jungen Lebens in den Kopf geschaufelt hatte.
Fazit Kinderwunsch: Lass dich nicht unter Druck setzen und warte nicht auf den perfekten Zeitpunkt (Spoiler: Den gibt es sowieso nicht.)
Glücklicherweise wachsen die Generationen nach uns mit einem deutlich ausgeprägteren Sinn für Selbstbestimmtheit auf. Das Thema Kinderwunsch ist ein sehr sensibles. Ich möchte jede Person – ob Frau oder Mann – dazu anhalten, wirklich in sich hinein zu spüren. Lass dich niemals und von niemandem unter Druck setzen, wenn es um die Gestaltung deiner Zukunft geht. Du hast alle Möglichkeiten – und was andere denken ist völlig egal. Was ich außerdem auch nochmal betonen möchte ist, dass es den richtigen Zeitpunkt für das erste Kind einfach nicht gibt. Du weißt sowieso nicht, ob und wann es klappt. Kinder lassen sich nicht ins Leben einplanen wie eine Reise oder ein Kinobesuch. Ein Kinderwunsch macht dich verletzlich as fuck, ich weiß. Und uns allen bleibt (leider) nichts anderes übrig, als das Leben so zu nehmen, wie es kommt – auch wenn es sich manchmal so unglaublich ungerecht anfühlt.
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